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Warum denn das alles?

Im Alltagsbetrieb schafft man es normalerweise ja recht gut, die Geschehnisse rund um sich konsequent auszublenden. Das Hamsterrad, in dem man meist gefangen ist, lässt nicht viel Zeit übrig für Themen, die mit der eigenen Erwerbs-Arbeit nichts zu tun haben. Es ist ja schon so schwer genug, das Auslangen zu finden ...

Aber manchmal passiert es eben doch, dass man den Blick von seinem Schreibtisch hebt und sich fragt: „Was geht denn da gerade so vor sich in unserer Welt?” Und möglicherweise führt eine genauere Betrachtung der Ereignisse zur großen Überraschung im Sinne von: „Das kann doch wohl nicht wahr sein ... oder?”

Nachfolgend finden Sie eine kurze Auswahl bemerkenswerter Aspekte, die eine erste Analyse durchaus sinnvoll erscheinen lassen.

Erwerbs-Arbeit als Auslauf-Modell?

Einerseits der niemals enden wollende Drang großer und mächtiger Unternehmen, die Profite der Eigentümer zu maximieren, und andererseits die Automatisierung und das daraus resultierende Ergebnis, auf menschliche Arbeitskraft gut verzichten zu können: Beide Entwicklungen führen dazu, dass sich die bisher als Normalfall verstandene Job Economy als Auslauf-Modell zu erkennen gibt.

Aber was bedeutet das in einer Welt, in der Menschen sich selbst primär über ihren Erwerbs-Arbeitsplatz und den damit verbundenen sozialen Stellenwert definieren? In einer Welt, in der man mangels Einkommen nicht nur zu Verzicht gezwungen, sondern auch sozial ausgegrenzt ist – egal, wer oder was schuld ist am Verlust des Arbeitsplatzes?

Und was ist mit den vielen Neugründungen, den Start Ups, die in der Statistik ja so überzeugend modern wirken? Werden nicht sie es sein, die unsere Wirtschaft retten? Oder gibt es in der Realität eher einen großen Anteil von Ein-Personen-Unternehmen, die trotz ihrer anfänglich großen Träume tatsächlich nur die abhängigen Tagelöhner der heutigen Zeit sind? Abgetrennt von jeglicher Standesvertretung und gezwungen, in prekären Verhältnissen alles an Aufträgen anzunehmen – und wenn es noch so schlecht bezahlt ist?

Regionalität als überholte Lebensweise?

Viele Menschen sind der Ansicht, dass man regionale Geschäfte oder Dienstleister einfach nicht mehr braucht. Und sie halten es daher auch nicht für erforderlich, über den Erhalt regionaler Strukturen nachzudenken. Ob Kleidung, Bücher oder Freizeit-Aktivitäten: Alles viel einfacher und schneller zu haben über's Internet oder in der Stadt. Der freie Wettbewerb wird es schon richten: Die Schwächeren werden eben verschwinden. Punkt.

Eine Reduktion regionaler Möglichkeiten führt unweigerlich zu einer Zunahme von Abhängigkeit: Ob von großen Unternehmen, die uns unsere Nahrungsmittel von weit her holen, ob von ausreichend billigem Erdöl, das für eine funktionierende Güterverteilung unabdingbar ist, oder ob von internationalen Investoren, die schließlich nur dann ihre Gnade in Form von Geld erteilen, wenn man ihren ganz persönlichen Vorstellungen gerecht wird: Auf wen und was alles sind wir mittlerweile angewiesen? Und wobei und wie lange können wir uns denn überhaupt noch selbst helfen?

Haben „die Finanzmärke” längst die Weltherrschaft übernommen?

Die Finanzkrise, die in den Jahren 2008/2009 in den USA ihren Ausgang genommen hat, hat tiefe Spuren in unserer westlichen Welt hinterlassen. Nicht nur, dass viele Menschen einen Teil ihres Vermögens oder ihrer privaten Pensions-Vorsorge verloren haben, wurde auch die sogenannte „Real-Wirtschaft” schwer in Mitleidenschaft gezogen. Und auch die Art und Weise, wie manche (Investment-) Banken mit Geld der Steuerzahler „gerettet” wurden, war derart bemerkenswert, dass sich die Frage stellt: Dient denn wirklich „die Wirtschaft” dem Menschen, oder ist es (vielleicht immer schon) umgekehrt?

Was übrig bleibt, konnte in mehreren europäischen Staaten beobachtet werden: Bisher unvorstellbare Summen für die Auszahlung von finanzkräftigen Anlegern, die sich eines hypertrophierten Finanzsystems virtuos zu bedienen wussten, aber kein Geld für „normale” Menschen und ihre grundlegendsten Lebens-Notwendigkeiten. Aber der Kurs stimmt angeblich: Teure Sozial-Systeme müssen ja gemäß neoliberaler Überzeugung demontiert werden, um im globalisierten Wahnsinn namens „internationaler Wettbewerb” weiterhin mitspielen zu können. Das ist nun mal – so sagt man – alternativlos.

Fehlende Qualifikationen für die Zukunft?

Was werden wir überhaupt brauchen, um ein „gutes Leben für alle” zu gewährleisten? Wie bereiten wir heranwachsende Generationen darauf vor, mit den bestehenden und mit den zu erwartenden Herausforderungen umzugehen? Oder wird sowieso der Großteil der Jungen unsere Region verlassen, weil ein chronischer Mangel an Perspektiven herrscht?

Wie werden wir die noch nicht abgewanderten jungen Menschen davon überzeugen können, dass sie ihre Kreativität und Schaffenskraft zumindest zum Teil auch für ihre Heimat einsetzen sollten? Wird es reichen, ihnen gut zuzureden? Oder wären sie viel eher für diese Idee zu haben, wenn sie neben guten Aus- und Weiterbildungs-Möglichkeiten auch Potenziale für ihre berufliche Tätigkeit erkennen könnten? Und auch reizvolle Aussichten für Privatleben und Freizeitgestaltung?

Der ideale Nährboden für sozialen Unfrieden?

Was würde denn passieren, wenn tatsächlich ausreichend viele Arbeitsplätze abhanden kommen und die Langzeit-Arbeitslosigkeit weiter steigen würde? Was, wenn diese Menschen, die scheinbar niemand braucht und keiner haben will, ständig als „Tachinierer” bezeichnet werden, obwohl sie einfach nur halbwegs menschenwürdig leben und etwas Sinnvolles tun wollen? Und was würde passieren, wenn jeder wirklich glauben würde, dass wir uns in einem Existenzkampf jeder gegen jeden befinden?

Es ist doch schon heute so, dass viele Bevölkerungs-Gruppen mehr nebeneinander als miteinander leben. Wie groß ist da die Gefahr, dass schnell irgendwelche Sündenböcke „gefunden” werden? Nicht zuletzt mit Hilfe der in dieser Hinsicht unglaublich effizient arbeitenden Sozialen Medien, deren Beitrags-Spender offensichtlich in vielen Fällen davon überzeugt sind, allfällige Kontrahenten (verbal) vernichten zu müssen?

Ist es denn wiklich nötig, sich selbst den Kopf über derartig unerfreuliche Themen zu zerbrechen? Wäre es da nicht besser, jeder würde sich nach Kräften dafür einsetzen, durch mehr und mehr Konsum das Wachstum endlich wieder anzukurbeln?

Es scheint mir durchaus so zu sein, dass sogar akuter Denk-Bedarf besteht.

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